Teures Zeltlager im Rümlanger Wald
Wie viel den Aktivisten für die Räumung der Rümlanger «Chalberhau» verrechnet werden kann, ist Gegenstand von Verfahren und politisch aktuell. Das «Rümi-Soli- Kollektiv» hat für sie 36 380 Franken gesammelt.
Aktivisten besetzten vergangenes Jahr das Waldstück Chalberhau in Rümlang. Die Räumung verursachte hohe Kosten. Bild: Archiv rst
Wie viel den Aktivisten für die Räumung der Rümlanger «Chalberhau» verrechnet werden kann, ist Gegenstand von Verfahren und politisch aktuell. Das «Rümi-Soli- Kollektiv» hat für sie 36 380 Franken gesammelt.
Rümlang. Am 20. April vergangenen Jahres räumte die Polizei das Waldstück Chalberhau in Rümlang. Die Aktivistengruppe «Wald statt Schutt» hielt dieses seit dem 8. April besetzt, um gegen dessen Rodung im Rahmen der Deponieerweiterung zu demonstrieren. Doch damit ist die Geschichte von Besetzung und Räumung noch nicht zu Ende. Denn so ein Einsatz kostet.
Wer bezahlt die Räumung und die nachträglichen Aufräumarbeiten, und wie hoch sind die Kosten, wollte Kantonsrat Martin Farner-Brandenberger (FDP), Stammheim, am 8. Mai vom Regierungsrat in einer Anfrage wissen, und weiter, ob auch der Gemeinde und der Waldeigentümerschaft Kosten entstanden seien.
Aus der Antwort des Regierungsrates vom 30. August geht hervor, dass die Kantonspolizei den bei der Räumung noch anwesenden Personen im Waldstück Kosten im Einklang mit dem Äquivalenzprinzip (nach dem Grundsatz des Verhältnismässigkeitsprinzips) auferlegt hat. Zur Höhe wurden wegen des laufenden Verfahrens keine Angaben gemacht.
Der Waldbesitzerin, der Holzkorporation Rümlang, sind gemäss der Antwort des Regierungsrates durch Umtriebe und zeitliche Aufwendungen Kosten von 1000 Franken entstanden, der Gemeinde durch Räumung und Entsorgung etwa 8000 Franken. Diese würden einstweilen der Waldbesitzerin weiterberechnet.
Von der Deponiebetreiberin wurde ein privater Bewachungsdienst engagiert. «Eine Abwälzung dieser Kosten auf die Besetzerinnen und Besetzer müsste auf dem Zivilweg erfolgen», erklärte der Regierungsrat in seiner Antwort.
Aufgrund dieser Antwort wollte «Die Mitte» Rümlang nun Anfang dieses Jahres vom Gemeinderat wissen, ob er eine solche Rechnung an die Holzkorporation gestellt habe und in welcher Höhe, und weiter, ob diese Rechnung schon bezahlt worden sei. Am 10. Januar antwortete der Gemeinderat, dass der Huben-Holzkorporation 7229 Franken in Rechnung gestellt worden seien. Darin enthalten seien die Personal-, Maschinen- und Entsorgungskosten für die Räumungsaktion.
Nicht enthalten seien die Kosten der Kantonspolizei, der Polizei RONN, des privaten Bewachungsdienstes sowie die zahlreichen Einsatzstunden von Vertretern des Gemeinderates oder der Verwaltung in dieser Angelegenheit. Die Rechnung müsse von der Holzkorporation gemäss einer Vereinbarung mit der Gemeinde erst beglichen werden, wenn die Aktivistinnen und Aktivisten bezahlt hätten.
Gegen die Abwälzung der Kosten wehrt sich das «Rümi-Soli-Kollektiv», eine Gruppe, die sich mit den Aktivistinnen und Aktivisten der Waldbesetzung solidarisiert, auf ihrer Website waldstattschutt.noblogs.org.
Nach einer Aktion für den Erhalt des Rümlanger Waldes und gegen die Errichtung einer Bauschuttdeponie drohe diesen unverhältnismässige Repression, sind sie der Meinung. Sie würden vom Staat, von Eigentümern und der Polizei mit rechtlichen Verfahren und übermässigen Kosten eingedeckt.
Das Kollektiv kündigte juristischen Widerstand an und startete gleichzeitig ein Crowdfunding mit dem Ziel, 30 000 Franken zur Unterstützung der Aktivistinnen und Aktivisten zu sammeln. Am 14. Januar wurde diese Sammelaktion nun beendet. Gemäss der Website kamen sogar mehr, nämlich 36 380 Franken von 430 Personen zusammen. Das «Rümi-Soli-Kollektiv» sieht die Kostenüberwälzung als problematisch und als Angriff auf Grundrechte an. Die Summe ermögliche es vorerst einmal, Anwälte für die erste Instanz der Verfahren zu bezahlen.
Nach dem kantonalen Polizeigesetz ist die Kostenabwälzung für Polizeieinsätze unter gewissen Voraussetzungen erlaubt. Kostenersatz kann gemäss § 58 von der Verursacherin oder dem Verursacher eines Polizeieinsatzes etwa gefordert werden, wenn diese oder dieser vorsätzlich oder grobfahrlässig gehandelt hat. Tatsache ist: In Rümlang wurden die Besetzerinnen und Besetzer aufgefordert, den Wald zu verlassen. Diese weigerten sich, liessen ein Ultimatum verstreichen und lehnten Alternativen ab.
Vertreter der Gemeinde Rümlang und der Kantonspolizei standen laufend in Kontakt mit den Aktivisten. «Diese wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass sie eine illegale Situation herbeiführten und dies so nicht geduldet werden könne», erklärt Gemeindepräsident Peter Meier-Neves auf Anfrage. Den Aktivisten seien nebst einem Ultimatum auch mögliche Optionen aufgezeigt worden, welche nicht nur legal gewesen wären, sondern auch die Beibehaltung des Protestes ermöglicht hätten. Die Gruppe der Aktivisten habe der Kantonspolizei und den Gemeindevertretern erklärt, dass legale Proteste nicht im Sinn der Organisation stünden und daher nicht in Frage kämen. «Diese Aussage verhinderte somit jegliche konstruktiven Lösungsmöglichkeiten, worauf den Vertretern der Polizei und Gemeinde keine andere Möglichkeit blieb, als das mittlerweile enorm erweiterte Camp aufzulösen.»
Politisch brisant ist der Fall Chalberhau auch, weil am 3. März über die kantonale Volksinitiative zur Durchsetzung von Recht und Ordnung («Anti-Chaoten-Initiative») sowie den Gegenvorschlag des Kantonsrats abgestimmt wird. Die «Anti-Chaoten-Initiative» der Jungen Zürcher SVP fordert im Kern, dass Demonstranten und Demonstrantinnen die Rechnungen für Polizeieinsätze und angerichtete Schäden selber zahlen müssen und nicht den Steuerzahlenden zur Last fallen.
Bettina Sticher
Lade Fotos..