Vom Bauerndorf zum Industriestandort
Der neue Band «Kunstdenkmäler des Kantons Zürich» widmet sich dem Bezirk Dielsdorf. Der «Rümlanger» stellt daraus Teile über die Gemeinde Rümlang in einer kleinen Serie vor.¶
Der neue Band «Kunstdenkmäler des Kantons Zürich» widmet sich dem Bezirk Dielsdorf. Der «Rümlanger» stellt daraus Teile über die Gemeinde Rümlang in einer kleinen Serie vor.¶
Rümlang. Gewusst, dass Rümlang im 15. Jd. einmal der Stadt Zürich gehörte? Oder dass die Strumpfstickerei noch im 19. Jd. als Rümlanger Spezialität galt? Oder dass Rümlang 1948 für den Bau des Flughafens rund 76 ha Gemeindeland und Wald abtrat? Der neue Zürcher Kunstdenkmälerband beleuchtet die kunstgeschichtliche Vielfalt des Bezirks Dielsdorf. Die Region erstreckt sich über 22 Gemeinden und erlebte in den letzten Jahrzehnten grosse Veränderungen. Dokumentiert wird unter anderem der demografische und wirtschaftliche Wandel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er ging einher mit einem Wohnungsbauboom und dem Neubau von Schulanlagen und modernen Kirchen, die den ehemaligen Bauerndörfern ein urbanes Ambiente verliehen. Es entstand eine vielfältige Baukultur, die auf den 560 reich illustrierten Seiten des Buches, entdeckt werden kann.
Rümlang ist von den 22 Gemeinden mit 1242 ha Fläche und rund 8229 Einwohnerinnen und Einwohnern hinter Regensdorf und Stadel (Fläche) bzw. Niederhasli (Einwohner) die drittgrösste Gemeinde des Bezirks, wie in der Einleitung zum Kapitel über Rümlang festhalten wird.
Danach folgt ein Überblick über die Geschichte des Ortes, der in diesem ersten Teil der Serie zum Buch Thema ist. Erste Siedlungsaktivitäten können gemäss archäologischen Entdeckungen aus der Frühbronzezeit bis ins 2. Jh. v. Chr. hinein nachgewiesen werden. In römischer Zeit war das Gebiet bereits wichtig, die Hauptverkehrsachse Windisch–Bregenz von West Ost führte durch das Gemeindegebiet und überquerte die Glatt über eine archäologisch nachgewiesene Holzbrücke.
Die verkehrsstrategische Bedeutung des Ortes wird bestätigt durch Spuren römischer Präsenz, so zum Beispiel die am Rand des Flughafenareals freigelegten Überreste einer römischen Wassermühle und eines möglicherweise als Raststation dienenden Gebäudes.
Rümlang wird erstmals im Jahr 924 schriftlich erwähnt. Daher feiert die Gemeinde in diesem Jahr auch ihr 1100-jähriges Bestehen. Damals hatte der Schwabenherzog Burchard II. der Fraumünsterabtei die Einkünfte von Gütern in «Rumelanch» zugesichert, wie den historischen Daten zu entnehmen ist. Im 13. Jh. bildete sich eine das ganze Dorf umfassende Vogtei aus. Eng verbunden mit der Vogtei über Rümlang waren die Geschicke der Herren von Rümlang, eines lokalen Rittergeschlechts, dessen Herkunft nicht restlos geklärt ist.
Ritter Heinrich, der um 1306 als Habsburger Dienstmann auf Regensberg belegt ist, hatte zu Beginn des 14. Jh. die Vogtei Rümlang von Gräfin Elisabeth von Rapperswil-Habsburg erworben. 1366 verkauften die Herren von Rümlang, wohl aus Geldnot, die eine Hälfte der Burg, 1399 traten sie auch die andere Hälfte ab, walteten aber weiterhin als Vögte und Gerichtsherren. 1424 verkauften sie dann auch die Vogtei bzw. «das dorff Rumlang» an die Stadt Zürich, welche Rümlang fortan als eigene Obervogtei verwaltete.
Das dörfliche Gewerbe bildete zusammen mit dem Bauhandwerk und dem Textilgewerbe – 1771 verzeichnete man u.a. je einen Steinhauer, Glaser, Tischmacher, Stuhlmacher, zwei Maurer, drei Zimmerleute, zwei Strumpfweber, vier Schuhmacher und fünf Schneider – eine wichtige Erwerbsquelle. Bei den ärmeren, landlosen Ein-wohnern war die textile Heimarbeit seit dem Ende des 17. Jh. weit verbreitet. Die Strumpfstrickerei galt noch im 19. Jh. als «Rümlanger Spezialität». Im Verlaufe des 19. Jh. gewann die Agrarwirtschaft, einerseits dank der zahlreichen Aussiedlungen in den umfangreichen Gemeindebann, andererseits dank neuer, von Jakob «Kleinjogg» Gujer im Katzenrütihof schon im 18. Jh. erprobter Anbaumethoden und der Umstellung auf die Vieh- und Milchwirtschaft, an wirtschaftlicher Bedeutung.
Daneben waren um 1900 die seit 1886 dem Fabrikgesetz unterstellte Mühle (abgebrannt 1911) und die Sägerei die wichtigsten Arbeitgeber im Dorf. In den Jahrzehnten vor und nach 1900 liessen sich weitere industrialisierte Gewerbebetriebe in Rümlang nieder, darunter die Kunstsandsteinfabrik des Zürcher Architekten Conrad von Muralt (1894), die mechanische Schreinerei von Baumeister Johannes Meier (1895) und die mechanisierte Blechtrommel- und Sauerstofffabrik von Gustav Weinmann auf dem ehemaligen Mühlenareal (1914). Einen Industrialisierungsschub erlebte das Dorf nach dem Bau des Flughafens 1948, für den die Gemeinde Gemeindeland und Wald abtrat.
Bettina Sticher
Die Kunstdenkmäler des Kantons Zürich, Der Bezirk Dielsdorf, Regula Crottet, Anika Kerstan, Philipp Zwyssig (Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 146, Die Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2023): Texte und Bilder aus dem Band.
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