Peter Meier-Neves, Gemeindepräsident Rümlang, vor dem Gemeindehaus. Bild: zvg
26.01.2024 06:00
«Die Verletzung des Nachtflugverbots ist nicht akzeptabel»
Am 3. März wird im Kanton Zürich über die Pistenverlängerungen am Flughafen abgestimmt. Der «Rümlanger» sprach mit Gemeindepräsident Peter Meier-Neves über die Gründe, warum die Gemeinde Rümlang die Vorlage ablehnt.
«Rümlanger»: Herr Meier-Neves, der Flughafen und die Befürworter des Pistenausbaus erklären, mit den dadurch entstehenden Möglichkeiten könnten die Verspätungen besser abgebaut und die Nachtruhe besser eingehalten werden. Die Gemeinde Rümlang teilt diese Ansicht nicht. Warum?
Peter Meier-Neves: Die Verspätungen von heute haben mehrere Ursachen. Einerseits wird der Flugplan auf den obersten Bewegungskapazitäten geplant, andererseits sind die Verspätungen oft das Resultat von europäischen Engpässen, die über den Tag hinweg zu Verspätungen führen und nicht abgebaut werden können. Hinzu kommen noch die Wetterverhältnisse, die sich nicht beeinflussen lassen. All dies hat mit verlängerten Pisten nichts bis sehr wenig zu tun. Stellen Sie sich vor, dass Sie für die Autofahrt von Zürich nach Bern täglich 60 Minuten Zeit einrechnen. Sie werden feststellen, dass diese verfügbare Zeit theoretisch möglich ist, praktisch aber in neun von zehn Fahrten nicht erreicht werden kann.
Mit welchen Immissionen vom Flughafen hat die Gemeinde Rümlang ausser den startenden und landenden Flugzeugen sonst noch zu kämpfen?
Startende oder landende Flugzeuge auf dem heutigen Niveau, natürlich ohne Nachtruhe-Verletzungen, sind zwar lästig, aber insofern auch akzeptiert. Werden diese Immissionen verstärkt, zum Beispiel durch die Umverteilung von Flugbewegungen, ist das nicht tolerierbar. Weiter ist der Betriebslärm des Flughafens, zum Beispiel Pistensanierungen während der Nacht, äusserst unangenehm für unsere Bevölkerung.
Die neueren Flugzeuge würden leiser oder seien schon leiser, heisst es. Merkt man davon in Rümlang schon etwas?
Es gibt durchwegs Unterschiede in der Wahrnehmung bezüglich der Lärmimmission. Bis aber alle Flugunternehmen ihre Flotte erneuert haben, dauert dies Jahre. Der Fortschritt ist da, das ist zu begrüssen, dürfte aber durchwegs noch stärker über zusätzliche Lärmabgaben gesteuert werden.
Wie gehen die Gemeinden, darunter auch Rümlang, die sich gegen den Pistenausbau wehren, mit der Diskrepanz zur Meinung der Parteien um, die dafür sind und denen Behördenmitglieder und Einwohner zum Teil ja auch angehören?
Die Parteien spielen sicher eine Rolle, die nicht unterschätzt werden darf. Die Parolen helfen vor allem denjenigen, welche sich mit der Materie nicht auseinandersetzen wollen. Zudem sind auch die Parteimitglieder unterschiedlich stark von der individuellen Situation betroffen. Beispielsweise ist das Thema «Betriebslärm» kein Thema im Zürcher Oberland oder in der Stadt Zürich. Es liegt nun an uns, die Stimmbürger davon zu überzeugen, dass der weitere Ausbau des Flughafens zu noch mehr Verkehr im Kanton Zürich führen wird, die Platzverhältnisse in den S-Bahnen noch enger werden und die Bevölkerung im Kanton Zürich noch stärker und schneller wachsen wird als bisher angenommen. Jede und jeder Stimmbürger, der eine 10-Millionen- Schweiz will, gerne Stunden im Verkehrsstau verbringt oder sich als Sardine in den S-Bahn-Zügen fühlt, sollte unbedingt JA stimmen.
Warum ist es nicht möglich, dass die Gemeinde Rümlang, die ja Land abgeben musste für den Bau des Flughafens, nicht auch mehr von den Steuereinnahmen profitiert?
Das aktuelle Steuergesetz basiert auf dem Ort der Wertschöpfung. Gerichte haben früher entschieden, dass das Pistensystem nicht oder zu einem sehr geringen Teil zur Wertschöpfung beiträgt. Dieser Entscheid sollte stark in Frage gestellt werden, denn ohne Pistensystem gäbe es keinen Flughafen und auch kein Einkaufszentrum, das Erträge abwirft.
Falls die Vorlage zum Ausbau angenommen wird: Gibt es für Rümlang noch mehr Möglichkeiten, sich gegen den Lärm zu wehren, zum Beispiel gegen weitere Ausbauten oder für die konsequente Einhaltung des Nachtflugverbots?
Möglichkeiten, sich gegen den Lärm zur Wehr zu setzen, gibt es immer. Der Ausbau der Pisten wäre bei einem JA jedoch im Grundsatz zu akzeptieren, da dieser Entscheid demokratisch herbeigeführt wurde. Nicht akzeptabel ist aber die permanente Verletzung des Nachtflugverbotes. Wir werden uns für die Einhaltung der Nachtruhe für die Bevölkerung der Gemeinde, der Region und des Kantons weiterhin einsetzen, unabhängig davon, ob die Piste länger oder kürzer ist.
Interview: Bettina Sticher