Tierfreundliches Pumpsystem für Biber am Chalberhaugraben
Am Chalberhaugraben lebt seit zwei Jahren ein Biberpaar. Sein Staudamm reduziert die Leistung zweier Abwasser-Filterbecken. Eine Lösung ist im Bau.
Am Chalberhaugraben lebt seit zwei Jahren ein Biberpaar. Sein Staudamm reduziert die Leistung zweier Abwasser-Filterbecken. Eine Lösung ist im Bau.
Rümlang. Biber bauen Staudämme. Manchmal bauen sie diese an Orten, wo ein höherer Wasserstand bestehende Infrastruktur schädigt. Biber fressen auch gerne Mais und Zuckerrüben. Die Bauern freut das nicht. Da Biber geschützt sind, muss man sie gewähren lassen – bis zu einem gewissen Punkt. Roland Angst, Bereichsleiter Werke in Rümlang, erzählte, dass sich vor zwei oder drei Jahren ein Biber am Chalberhaugraben beim Bahndamm im Wald niedergelassen hatte. Das Wasser floss wegen des Biber-Staudamms über und durchweichte das Gelände – ein Risiko für den Bahnverkehr. Die zuständige Fachstelle des Kantons gab grünes Licht, den Biber zu vertreiben. Das sei gelungen. Kurz darauf sei der Wasserpegel an einer Stelle bachabwärts unter der Kantonsstrasse plötzlich angestiegen. Ob wieder der Bahndamm-Biber am Werk war oder ob sich zufällig ein neues Tier von der Glatt herkommend die Gegend als Revier ausgesucht hatte, ist nicht klar. Biber sind nachtaktiv, was es selbst mit Kameras schwierig macht, die einzelnen Tiere zu unterscheiden. Ausserdem sind Bewohnerwechsel in Biberrevieren nichts Ungewöhnliches, denn sie fechten untereinander harte Revierkämpfe aus, die häufig zum Tod des Schwächeren führen.
Jedenfalls war der Biber auch unter der Strasse nicht willkommen, denn das gestaute Wasser erhöhte den Druck auf den Strassenkörper. Wiederum erlaubte die kantonale Biberfachstelle, den Nager zu vertreiben. Dieser schwamm daraufhin vermutlich weiter bachabwärts, wo er ins Revier einer Biberfamilie mit zwei Jungtieren gelangte. Die Werksmitarbeiter hatten schon seit einer Weile Kameras auf die Familie gerichtet. Eines Tages fanden sie die Jungen tot auf. «Wir wussten nicht, was geschehen war, als wir auf die Jungtiere stiessen, bis wir die Aufzeichnungen schauten.» Ein fremder Biber sei zu sehen gewesen: Ein bulliges Tier, das sich durch seine beachtliche Grösse von den bisherigen Bewohnern unterschied. Neben der Kamera-Linse musste es zu einem erbitterten Revierkampf gekommen sein. Unter einem Berg aus Ästen fand das Werks-Team später den Kadaver eines Weibchens und weiter bachaufwärts ein verendetes Männchen mit Bisswunden. «Wir wussten, dass Biber ihr Revier verteidigen – dass das so gnadenlos ablaufen kann, hätten wir nicht erwartet», erzählte Angst.
Mittlerweile hat sich der kräftige Biber an der unteren Stelle des Chalberhaugrabens wohnlich eingerichtet. Im Bach liegen zahlreiche abgenagte Äste und Baumstämme. Ein zweites Tier wurde auch gesichtet – oder vielleicht war es von Anfang an dabei. Das Paar beschert Angsts Team einige Arbeit: «Wir müssen täglich den Damm frei räumen, damit das Wasser sich nicht zu sehr staut.» Dies weil nebenan zwei natürliche Filterbecken liegen, die das Regenwasser, das über die angrenzende Strasse abfliesst, reinigen. Steigt der Pegel des Bachs, steigt er auch in den Filterbecken. Das Regenwasser soll aber nahe an deren Boden durchfliessen, wo sich die reinigenden Gräser befinden. Ist der Pegel zu hoch, fliesst verschmutztes Wasser oben weg in den Bach und in die Glatt. Damit die tägliche Räumarbeit leichter zu erledigen ist, haben die Männer eine Rinne in den Biberdamm gebaut, die sich gut mit einem Rechen freihalten lässt. «Der Biber ist ein Chrampfer. Er schliesst die Rinne Nacht für Nacht und wir räumen sie tagsüber wieder frei. Das stört uns nicht. Wir leben damit.» Trotzdem sei es nicht zu vermeiden, dass das Regenwasser von der Strasse immer Mal wieder ungereinigt in den Bach laufe. Anstatt die umtriebigen Nager zu vertreiben, haben das Tiefbauamt des Kantons Zürich und die Biberfachstelle in Absprache mit der Gemeinde Rümlang eine tierfreundliche Lösung ausgearbeitet.
Um den Pegel des Filterbeckens niedrig zu halten, soll überschüssiges Wasser künftig durch Rohre abgepumpt und erst unterhalb des Biberdamms in den Bach geleitet werden. Die Anlage ist ein Versuch und befindet sich im Bau. «Ich bin sehr froh, dass der Kanton zu diesem Versuch bereit ist», sagte Angst. Das Biberpaar könne dann seinen Damm in die ursprüngliche Höhe bauen. Würde es vertrieben, bliebe ihm nur die Glatt als Ausweg. «Dort können wir die zwei auf keinen Fall bauen lassen. Zumindest nicht, solange der Fluss in seinem Kanal fliesst.» Mit der geplanten Glatt-Renaturierung wird sich das Revier für die Biber vergrössern – und dem Nachwuchs eine Chance zu überleben bieten. Jungtiere seien bei den Bibern im Chalberhaugraben noch keine gesichtet worden. «Das ist nur eine Frage der Zeit», ist Angst überzeugt. Gibt es Junge wird die Mutter sie im Alter von zwei Jahren verjagen, damit sie sich ein eigenes Revier suchen. In dicht mit Bibern besiedelten Gebieten überleben unerfahrene Jungtiere die Revierkämpfe selten. Die Natur reguliert sich selbst unerbittlich.
Bernadette Dettling
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